Verena Kienast
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ansichts.SACHE
Verführung zum lustvollen Hinsehen
Richard Kaplenigs Bilder sind eine sehr persönliche Sache: Die Gegenstände,
die er in ihnen in den Mittelpunkt stellt, sind Objekte, die ihm im Alltag
begegnen. In einer Werkstatt, auf dem Flohmarkt, bei Freunden, auf der
Straße. Ob sie sich eignen, bestimmt die Sympathie. Und die wiederum
ergibt sich aus der Form, dem Material, vielleicht auch ein bisschen aus
ihrer Funktion. Da gibt es das in die Jahre gekommene Parfumfläschchen,
die Kerzenglühbirne mit Glühfaden, Kettenglieder, Schraubstücke,
Inbusschlüssel und ausgediente medizinische Instrumente. Es sind
zumeist kleine, im Alltagsleben wenig beachtete Teile, die nun bei Kaplenig
ihren großen Auftritt haben, die aus dem konventionellen Zusammenhang
gerissen werden und neue Bedeutung erhalten. Dabei gewinnen sie nicht
nur ein Vielfaches an Größe, sondern offenbaren auch die Schönheit
ihrer Gestalt. In der Zentralperspektive des Bilds erhält das Objekt
nun geradezu Kultstatus. Mit seinen geschmeidigen Rundungen und Wölbungen,
den exakten Kanten und glatten Flächen, den schlanken Höhen
und wohlproportionierten Größenverhältnisse. Die Sympathie
für den Gegenstand springt schnell auch auf den Betrachter über.
Wie die Schwarzweiß Fotografie durch den Ausschluss der Farbe Kontraste
und Details präzise darstellen kann, führt die reduzierte Farbwahl
mit beinahe ausschließlicher Konzentration auf Schwarz-, Weiß-
und Grauwerte, in Kaplenigs Bildern zu einer Konzentration auf die Feinheiten
des Objekts. Vor einem diffusen Hintergrund, der manchmal Standfläche
ist, sich aber auch in Untergrund und unbekannten Raum teilen kann, ist
die gesamte Aufmerksamkeit - zumindest vordergründig - auf den prominenten
Gegenstand gerichtet. Unterschiedliche Beleuchtungssituationen führen
zu Spiegelungen, lassen Schatten in Öffnungen fallen und verwehren
so den Einblick, eröffnen damit aber einen zusätzlichen Raum
der Unbestimmtheit und der Fantasie. Die Tiefe ist grenzenlos. Als rätselhaftes
Beiwerk finden sich manche Buchstaben oder Zahlen, als Kontrast zum Gegenständlichen
können streng geometrisch gestaltete Flächen das Spannungsverhältnis
stärken. Hier hat auch - sparsam - Farbe ihren Auftritt.
Den Reichtum der Möglichkeiten zeigen nun auch verstärkt Darstellungen
in Serien - das selbe Werkstück in wechselndem Licht mit seinen Spiegelungen,
vor wechselndem Hintergrund und mit wechselnder Schattierung, wie die
Schraubenmutter, oder in wechselnden Positionen, wie die ineinander verschlungenen
Kettenglieder. Sie scheinen wie zufällig hingeworfen worden zu sein
und leuchten vor dem vielschichtigen, tiefschwarzen Hintergrund wie Einzelbilder
aus einer dazugehörigen Filmsequenz.
Die Plastizität, mit der Kaplenig seine Protagonisten gestaltet,
ist überwältigend und verleiht dem Charakter des jeweiligen
Materials - Glas, Metall, Gummi, Wasser - eine eigenständige, geradezu
sinnliche Qualität im Bilderleben. Sie reizt dazu, hinzugreifen -
auf diese gewellte, kühle Oberfläche der Aludose, die hier freilich
aussieht, wie ein Ölfass. Oder mit den Fingern entlangzufahren an
der schon etwas brüchigen Gummidichtung, den abgerundeten Glaskanten
des Parfumfläschchens oder dem hauchdünnen Glas der Glühlampe.
Selbst die Temperatur des Werkstoffs lässt sich aus dem Bild erahnen.
Die verblüffende haptisch-plastische Anziehungskraft von Kaplenigs
Objekten bezieht sich nicht zuletzt aus der klassischen Ölmalerei,
die er betreibt. Öl auf Leinwand, wie die alten Meister. Schicht
um Schicht. Der diffus scheinende Hintergrund öffnet sich da bei
längerem Hinschauen in die Tiefe der angelegten Schichten, die eine
verlockende optische Maßlosigkeit suggerieren. Der beinahe hyperrealistische
Eindruck des jeweiligen Gegenstands, der sich aus der Betrachtung in einiger
Entfernung ergibt, wechselt beim Näherkommen zunächst in Erstaunen
und schließlich in lustvolles Wechseln des Blicks zwischen den Bildebenen.
Denn: Kaplenig baut mit Fragmenten von kopierten Landkarten und Seiten
aus Telefonbüchern, die er als zusätzlichen Maluntergrund aufleimt
und collagiert, eine Zusatzschicht ein, die in unterschiedlicher Intensität
an manchen Stellen sichtbar bleibt. Auch im Objekt schimmert da die unterlegte
Landkarte durch und topographische Gegebenheiten wirken wie altersbedingte
Materialsprünge. Das gibt der Bildoberfläche als Gestaltungselement
eine zusätzliche räumliche Dimension und im Aufblitzen der Orte
und Namen einen Verbindungspfad zum Künstler selbst. Zwischen Wien
und Kärnten und bis nach Slowenien führt diese persönliche
Spur. Gleichzeitig erkennt man aus der Nähe den durchaus groben Pinselstrich,
der erst in entsprechender Distanz diese beinahe magische Anziehungskraft
entfaltet. Ein Spiel mit der Wahrnehmung, das den Blick und die Sinne
fesselt.
Er möchte, so Kaplenig, Sehgewohnheiten aufbrechen. Dazu dient die
neue Bedeutung der Alltagsgegenstände ebenso, wie die collagierten
Landkarten oder Telefonbuchseiten und das Malen selbst. Und das alles
steht schließlich in unmittelbarer Beziehung zu seiner Person -
als persönliche Verortung in der emotional-poetischen Interpretation
des Alltags.
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