Silvie Aigner

Neues von der Malerei

Die Geschichte der Malerei hat nicht nur eine lange Tradition, sie ist besonders in Österreich seit Jahrhunderten höchst lebendig und es hat trotz aller neuen Medien nie wirklich einen Bruch gegeben, wenn auch seit Jahren immer wieder die Malerei tot gesagt wird und Künstler, die sich mit Leinwand, Pinsel und Farbe ausdrücken, diffamiert und als konservativ bezeichnet werden. Nichtsdestotrotz gibt es weltweit - auch in den Kunstzentren New York und London - mehr Maler und Malerinnen als je zuvor, und nicht nur die Älteren, auch die Jungen setzen ihre künstlerischen Ambitionen im Tafelbild um. Diese Tatsache, dass auch moderne Themen und aktuelle Fragen in Malerei ausgedrückt werden, soll nicht gegen die neuen Medien, gegen Fotografie und Video, gegen Installation und Performance ausgespielt werden, sondern nur einfach einen Tatbestand benennen, der zunächst ohne jede Art von Wertung festzustellen ist.

Was bedeutet das im zeitgenössischen Kunstgeschehen? Im Grunde nichts anderes, als dass hier wie da Künstler am Werk sind, die sich bewusst sind, dass sie aus einer Tradition kommen und dass diese Tradition höchst lebendig weiter geführt werden kann. Man muss nicht mit der Geschichte brechen, um die neue Zeit zu leben. Die Radikalität mit der Ende des 19. und in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit den alten Traditionen aufgeräumt wurde, hat zwar dazu geführt, dass sinnlos gewordene Normen und Akademismen obsolet wurden, Gleiches, also das Hinterfragen von allzu oberflächlich und modisch Gewordenem, ist sicherlich immer wieder sinnvoll und notwendig, sollte aber doch nicht dazu führen, die Kunstgeschichte lächerlich zu machen und als überholt zu bezeichnen, und sie mehr oder weniger zu vernichten. Es waren immer sinnlose Versuche aus der Geschichte der Kunst, besonders der Malerei und Bildhauerei, auszusteigen oder sie zu zerstören. Das haben die Bilderstürmer in allen Jahrhunderten erfahren müssen, vom Bilderstreit in der Romanik, über den Bildersturm der Reformationszeit, bis zu den Nationalsozialisten und den chinesischen Kommunisten, bis zu den Taliban und letztlich bis zu jenen aktuellen Kritikern, die die Überzeugung ausdrücken, dass sich das Tafelbild überholt hat und keine künstlerische Berechtigung mehr hat. Dagegen ist ganz eindeutig festzustellen, dass es nicht nur konservative sondern durchaus zeitgemäße Malerei gibt, dass sich die Ateliers und Galerien mit Bildern füllen und das Interesse des Publikums am Tafelbild ungebrochen ist. Oder um es plakativ zu sagen: "solange es einen Menschen gibt, der mit Pinsel und Farbe arbeitet und solange es einen anderen Menschen gibt, der sich ein Bild aufhängt, wird es Malerei geben" - also vermutlich immer.

So weit ist klar, dass nicht nur die Kunstgeschichte sondern Geschichte überhaupt nicht verleugnet und verdrängt werden darf. Das erleben wir in den letzten 50, 60 Jahren viel zu oft, dass die Gesellschaft so tut, als hätte es keine totalitären Regime mit all ihren politischen und menschlichen Gräueln gegeben, als wäre das 20. Jahrhundert nicht eine Folge von Katastrophen und menschenverachtenden Handlungen gewesen - denn keiner war dabei. Natürlich kann da auch die Kunst nicht so tun, als ginge sie das alles nichts an. Ihre Art der Reaktion darf nicht ebenfalls ein Verschließen vor den gesellschaftlichen und geopolitischen Änderungen sein, sondern darf und muss auf ihre Weise reagieren und die Geschichte in den Kontext ihrer Themen und Formulierungen aufnehmen. Elfenbeinturm und romantisches l'art pour l'art geht nicht mehr. Aber - und da ist die zeitgenössische Kunst in einer geradezu großartigen Situation - sie hatte noch nie so viele Möglichkeiten des Ausdrucks, der formalen und inhaltlichen Darstellung, und seit sie Ende des 19. Jahrhunderts ihre innere und äußere Freiheit gewonnen hat, wurde sie noch nie auf so eindringliche Weise gefordert. Und da sind alle Materialien gleichermaßen zu werten, da gibt es keine Diskrepanz zwischen Foto und Ölbild, zwischen Video und Skulptur. Entscheidend ist lediglich die Qualität, die Ehrlichkeit, die Unbedingtheit und Überzeugungskraft des Kunstwerkes, nicht seine Technik.

Richard Kaplenig schließt sich aus diesen Überlegungen nicht aus. Er ist Maler, auch wenn er seine Malerei durchaus zeitgemäß versteht, seine Themen teilweise aus der Tagesaktualität bezieht und sehr bewusst Stellung bezieht, wenn er sich mit der Wasserqualität der Seen beschäftigt, oder mit den zweisprachigen Ortstafeln seiner Kärntner Heimat. Er lässt Veränderung zu, ist offen und neugierig: was passiert denn auf der Welt. Aber diese Dinge, die er aufmerksam und besorgt beobachtet, sind geistige Auslöser und sie werden thematisch, aber weniger formal ins Bild gesetzt.

"Ich will ein gutes Bild malen", sagt er und: "morgen will ich ein besseres Bild malen als heute." Das sind seine Ziele. Und ob er sein Thema eckig oder rund malt, ob die Aussage hart wird oder weich, ob eine Collage nötig ist oder Schrift ins Bild kommt - er will aus objektiven Beobachtungen subjektive Erkenntnisse gewinnen und diese wiederum in objektive Darstellung umsetzen. Er will "ein gutes Bild malen." Nicht mehr und nicht weniger, und jeden Tag aufs Neue.

Angelica Bäumer, August 2006